Montag, 16. Februar 2015

Nachtrag für Lesende / Vortrag an Hassende

Mit etwas Verspätung hier unsere bei der vergangenen Lesebühne verlesene Proklamation nach den Anschlägen auf "Charlie Hebdo" und Juden im Supermarkt:

Liebe Gäste, jetzt mal im Ernst. Sie haben alle in den letzten Tagen mitbekommen, dass es einen unfassbar abscheulichen Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit gab. Wir, als Lesebühne „Original Linzer Worte“, die wir die Satire und damit die Kritik an bestehenden Verhältnissen – ob in Politik, Wirtschaft, Kunst oder Religion – hochhalten, möchten dazu Stellung nehmen. Wir halten es mit Kurt Tucholsky, der auf die Frage, was Satire dürfe, sagte: ALLES. Wäre Satire bloß Unterhaltung und was das Fernsehen darunter versteht, würde sie ihre Funktion nicht erfüllen, nämlich aufzuklären und anzuklagen. Deshalb darf Satire auch weh tun, und sie braucht kein gefälliges Kleid, in dem sie auftritt, siehe den einfachen Strich bei Charlie Hebdo.
Satire ist notwendig, denn sie erfüllt in der Gesellschaft eine Reinigungsfunktion. Sie befreit von Dummheit und Engstirnigkeit. Eine Gesellschaft, ein Staat, eine Religion, die Satire bekämpft oder nicht zulässt, sieht reinigende Prozesse als Gefahr. Folglich hat sie Dreck am Stecken.
Ebenso unverhandelbar wie die Satire selbst ist die Form, in der sie auftritt. Selbst als wüste Polemik oder Blasphemie erfüllt sie ihren Zweck.
Noch kurz zur Religion. Wer Religionsfreiheit fordert, muss auch die Freiheit von Religion akzeptieren. Wer über die Verletzung religiöser Gefühle klagt, muss akzeptieren, dass jede Religion atheistische Gefühle aufs Gröbste verletzt. Es gibt, Damen und Herren, mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Gott und kein Paradies nach dem Tod. Das Paradies ist nur im Diesseits zu schaffen. Märtyrer ruinieren es.
Die „Original Linzer Worte“ ersuchen deshalb allfällige Fanatiker, ihren Attentatsfokus auf die Bühnenakteure zu richten und das Publikum zu verschonen.
Übrigens lässt sich die Frage, ob man nach Arschlochtaten wie in Paris – mit so vielen Opfern – noch Witze machen darf, adäquat beantworten. Nämlich mit einem Witz. Und der geht so.
Treffen sich zwei Religionsfanatiker.“
Gut, oder?

Klaus Buttinger, im Namen der Original Linzer Worte

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